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Weniger Rehe - neues Jagdgesetz bringt Streit
Bedeuten weniger Rehe mehr Wald? Eine Änderung des Jagdgesetzes bringt Förster und Jäger gegeneinander auf und stellt keine der beiden Seiten zufrieden.
Laubbäume zwischen Kiefern und Fichten sollen die Wälder widerstandsfähiger machen. Doch die Triebe der Laubbäume werden von Rehen und Wild gerne an- und abgefressen. Der "Wildverbiss" gilt als ein großes Hindernis beim Waldumbau, dem Umwandeln von Monokulturen in Mischwälder.
Eine Änderung des Jagdgesetzes soll helfen - die Bundesregierung will den vermehrten Abschuss von Rehen ermöglichen. Der Entwurf zu dieser Änderung stellt aber Förster und Jäger nicht zufrieden.
Der Vorschlag von Julia Klöckner ist, einen "tragfähigen Ausgleich zwischen Wald und Wild" zu schaffen. Konkret bedeutet das, dass es künftig nicht mehr in allen Fällen eine behördliche Abschussplanung für Rehwild geben soll. Waldbesitzer und Jäger vor Ort sollen sich auf einen jährlichen Mindestabschuss im Jagdpachtvertrag einigen und ihn von den Behörden genehmigen lassen. Klappt das nicht oder ist das Abschuss-Ziel zu gering, legt die Jagdbehörde eine Mindest-Abschussquote fest. "Verbissgutachten", also Gutachten über abgefressene Bäume, sollen dann einfließen. Zudem soll die Naturverjüngung ohne Schutzzäune um junge Bäume möglich sein.
Forstleute wollen amtliche Gutachten
Der Bund Deutscher Forstleute ist mit dieser Änderung nicht glücklich. "In Deutschland haben wir tendenziell fast flächendeckend zu hohe Wildbestände", sagte der Vorsitzende Ulrich Dohle. Jagdmanagement sei ein "ganz wesentlicher Schlüssel" zum Erfolg beim Waldumbau - neben mehr Forstpersonal, denn das wurde in jüngerer Zeit stark reduziert.
Laut seiner Aussage fehlten Waldbesitzern und Jägern teils die sachlichen Grundlagen oder die Kompetenz, um festzulegen, wie viel geschossen werden soll. Seiner Ansicht nach seien amtliche Gutachten über die Vegetation eine wichtige Grundlage.
Auch der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates und der Präsident des Waldeigentümer-Verbands AGDW argumentieren wie Dohle. Beide sind sich einig, dass ausdrücklich auch Mischbaumarten "im Wesentlichen ohne Schutz" aufwachsen können sollten und es "Vegetationsgutachten als objektive Grundlage" brauche.
Deutschem Jagdverband reicht das Konzept nicht
Der Deutsche Jagdverband sieht das anders. Der stellvertretende Geschäftsführer Torsten Reinwald lobte, dass vor Ort über die Jagd entschieden werden solle, denn die Situation der Wälder sei sehr unterschiedlich.
Man sei auf den Flächen gefordert, auf denen Nadelholz-Monokulturen in Mischwälder gewandelt werden sollen. Dort müsse intensiver gejagt werden. Es brauche aber weitere Schutzmaßnahmen, etwa, um Laubbäume vor anderen Pflanzen zu schützen, die sie sonst verdrängten.
"Einfach nur zu sagen, wir schießen Rehe und Hirsche, dann wächst der Wald, das funktioniert nicht", sagte Reinwald. "In einer Kiefer- oder Fichten-Wüste einen ungeschützten Laubbaum zu pflanzen, ist, wie einem Schokoladen-Liebhaber eine Schüssel Pralinen vorzusetzen."
In ein Jagdkonzept müsse auch einfließen, ob es Ruhezonen gebe für das Wild und ausreichend Futter, oder ob Bereiche besonders durch Tourismus oder Verkehr belastet seien. Eine Ausweitung der Jagdzeiten könne sogar zu mehr Verbiss führen, wenn Rehe und Hirsche auch im Winter gestresst würden und deswegen Futter bräuchten.